Vortrag in der Reihe »Aus der Werkstatt der Forschung«
im Österreichischen Staatsarchiv (Haus-, Hof- und Staatsarchiv), Dachfoyer, Wien
15.12.2009
„Ordnung muss sein“ war der Titel einer Ausstellung, mit der das Archiv der Israelitischen Kultusgemeinde Wien 2007 einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt wurde, „Achtung Baustelle!“ der Titel eines im Ausstellungskatalog publizierten Werkstattberichts. Die beiden Titel umreißen die (Re-)Konstruktion eines Archivs, dessen Bestände heute auf Österreich, Israel, Russland und Polen verteilt sind.
Von Adolf Eichmann 1938 beschlagnahmt, hat das 1816 gegründete Archiv die Shoa in Wien überdauert. Ergänzt durch das administrative Schriftgut aus der Zeit des NS-Terrors wurde es in den 1950er Jahren großteils nach Jerusalem gebracht. Umfangreiche Reste, vermischt mit jüngerem Material, wurden 2000 in Wien wiederentdeckt. Das Archiv dokumentiert die Geschichte der jüdischen Gemeinde Wiens und ist selbst signifikanter Teil dieser Geschichte.
Der Vortrag hat den Umfang, Inhalt und die Geschichte der Archivbestände skizziert. Strategien der Ordnung, Erschließung und Zugänglichmachung waren ebenso Thema wie Fragen der Aufbewahrung und Sicherung durch Reproduktionen.
Trotz limitierten Zugangs war das Archivgut auch in der jüngeren Vergangenheit Quelle historischer Forschung: für die tägliche Arbeit im Bereich Restitution und Entschädigung, für Studien zur NS-Herrschaft, aber auch für andere Themen. Welches Potential für die Forschung in den Beständen schlummert, war zentrale Frage des Vortrags.
Ausgangspunkt war die These, dass ein Archiv stets aus dem Archivgut und dem Wissen um seine Verwendung besteht. Die nötige Ordnung und Infrastruktur ist paradoxerweise Voraussetzung und Folge dieses Wissens.