Vorträge: BTWH


Das nackte Leben der Migranten

Ingo Zechner

Vortrag am IFK Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften, Wien
im Rahmen der BTWH-Jahrestagung 2005
23.-26. Juni 2005

Der italienische Philosoph Giorgio Agamben hat den Übergang zur Moderne als Moment der Übertragung der politischen Souveränität auf das ‚Volk’ zu bestimmen versucht. Zugleich hat er darauf hingewiesen, dass das Wort ‚Volk’ in den modernen europäischen Sprachen immer auch „die Armen, Enterbten, Ausgeschlossenen” bezeichnet. Ist die Deklaration der Menschenrechte mit der Konstitution des Volkes als souveräner Nation verknüpft, konfrontiert das Auftauchen des Flüchtlings das Volk mit dem ausgeschlossenen Teil seiner selbst. Die Figur des Flüchtlings, „die den Menschen der Menschenrechte schlechthin hätte verkörpern sollen“ – stürzt Agamben zufolge nicht nur die Nation, sondern auch die Menschenrechte in eine Krise. Während die Nation an die Geburt in einem bestimmten Territorium (ius soli) oder an die Geburt von Bürgereltern (ius sanguinis) gebunden ist, sind es die Menschenrechte nur an die Faktizität der Geburt als solcher: das ‚nackte Leben’. Und dennoch sind sie im System des Nationalstaates nur als Bürgerrechte garantiert. Für Flüchtlinge gilt konsequenter Weise ein Ausnahmerecht. Wie dieses Ausnahmerecht zum Ausnahmezustand wird, versucht Agamben anhand der Struktur des Lagers zu analysieren, das aus seiner Sicht nicht nur als eine historische Tatsache und Anomalie der Vergangenheit, sondern als eine verborgene Matrix der Gegenwart verstanden werden muss.

Gegen die Perspektive von Agamben kann man einwenden, dass Migranten sich nicht als ‚nacktes Leben’, sondern als Subjekte mit bestimmten Wünschen, Fertigkeiten (‚skills’) und Erfahrungen in Bewegung setzen. Wenn die Aufnahme jedoch nur noch in Form des Asyls möglich ist, zählt als Aufnahmekriterium ungeachtet der konkreten Persönlichkeit das nackte Leben und der Grad seiner Bedrohung. Muss man dann nicht davon ausgehen, dass sich im Asylverfahren ein neues Subjekt oder zumindest ein Subjekt neu konstituiert? Welcher Art ist dieses Subjekt und welche Spielräume hat es? Wie weit muss das Begehren seine Destinationen ändern, um sich ein Minimum an ‚agency’ zu sichern?

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BTWH-Forschungsschwerpunkt 2004/2005: Destinations of Desire - Routes of Agency

The Negro White and the White Negro: Fassbinder, Sirk, Vian

Ingo Zechner

Vortrag am Department of Germanic Languages and LiteraturesHarvard University
im Rahmen der BTWH-Jahrestagung 2004
10.-12. September 2004

Mit der Beschreibung des Hipster der 1950er Jahre als ‚White Negro’ hat Norman Mailer den Prototyp einer Aneignung ‚schwarzer’ Codes durch ‚Weiße’ geschaffen und gleichzeitig die Frage beantwortet, was an der ‚schwarzen Kultur’ schwarz sei. Mailer greift dabei auf rassistische Stereotype zurück, deren herkömmliche Bewertung er in ihr Gegenteil verkehrt. In seinem Aufsatz nimmt Ingo Zechner Mailers ‚White Negro’ zum Ausgangspunkt, um nach den logischen Bedingungen des Rassen-Diskurses zu fragen. Anhand der aristotelischen Logik und der ambivalenten Rassen-Theorie Immanuel Kants lassen sich Hautfarbe und Abstammung als einzige Merkmale ausmachen, die den Rasse-Begriff hinreichend definieren. Die in den Cultural Studies beliebte Zurückweisung der ‚Essentialisierung’ bestimmter Rasse-Begriffe muss deshalb kritisch hinterfragt werden, weil es jeglichem Rasse-Begriff an Essenz mangelt. Am Beispiel von Filmen Rainer Werner Fassbinders und Douglas Sirks sowie von Romanen Boris Vians versucht Zechner zu zeigen, wie der Rasse-Begriff durch das Auftreten von ‚Negro Whites’ und ‚White Negros’ seine letzte Evidenz verliert. Gleichzeitig wird klar, dass die Differenz zwischen deren Sein und Aussehen nicht nur epistemologisch, sondern durch soziale Machtverhältnisse bestimmt ist, die eine politische, ökonomische und sexuelle Dimension haben. Die häufig anzutreffende Ersetzung des Rasse-Begriffs durch Begriffe von Ethnizität und Kultur läuft deshalb Gefahr, entweder den überwunden geglaubten Rassismus zu wiederholen oder den Unterschied zwischen Rassismus und Xenophobie zu verkennen.

(Publikationsfassung: siehe Publikationen Aufsätze)

BTWH-Forschungsschwerpunkt 2003/2004: American Blackness

Fluchtlinien im amerikanischen Kino

Ingo Zechner

Vortrag am German Department der University of California at Berkeley
im Rahmen der BTW-Jahrestagung 2002
3.-4. April 2002

Eine Gesellschaft ist weniger durch ihre Widersprüche definiert als durch die Fluchtlinien, von denen sie durchzogen ist – sagen Deleuze und Guattari. Und was von einer Gesellschaft gilt, gilt letztlich von allen Dingen und ihren Verhältnissen. In meinem Vortrag versuche ich, die Momente der Transgression in diesem Begriff der Fluchtlinie herauszuarbeiten. Dabei beziehe ich mich auf die Flucht als ein konstitutives Element des amerikanischen Kinos und gehe auf verschiedene Filmbeispiele ein – unter ihnen vor allem Michelangelo Antonionis „Zabriskie Point“ (USA 1970).

BTW-Forschungsschwerpunkt 2001/2002: Transgression

Deleuze/Guattari: Logik des Raumes. Die Geburt des Politischen aus dem Geist der Ästhetik

Ingo Zechner

Vortrag am IFK Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften, Wien
im Rahmen der BTW-Jahrestagung 2001
8.-10. Juni 2001

Download: Vortrag (pdf)

BTW-Forschungsschwerpunkt 2000/2001: Fictional/Factional spaces

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